Wie bereits in unserem Beitrag vom 02.02.2021 zum Thema Geschichte zum Löhner Bahnhof, schrieb uns Martin Lorenz seine spannenden Erinnerungen und Recherchen rund um die Bahnsteige und Gleisnummern unseres Bahnhofs in Löhne.
An dieser Stelle schon einmal ein recht herzliches Dankeschön an die sehr aufschlussreichen, spannenden und, nicht nur für Geschichtsfreunde, interessanten Geschichten rund um unseren Löhner Bahnhof.
Auch diese Ausführungen möchten wir hier gerne in seinen eigenen Worten veröffentlichen.
Martin Lorenz ist selbst Löhner Bürger, sowie das Kind einer Eisenbahner-Familie, woher unter Anderem auch das Wissen und Interesse bei seinen Recherchen stammen. Außerdem engagiert er sich u.a. für die KULTURBANAUSEN unseres Vereins und ist Kreisposaunenwart im Kirchenkreis Herford.
Vorgeschichte ab 1900
Nach der Jahrhundertwende um 1900 stieg der Verkehr sowohl in der Personenbeförderung, aber auch im Güterverkehr auf der Strecke Hamm-Minden derart an, dass die zweigleisige Strecke mit ihren vielen ebenen Gleisübergängen an ihre Kapazitätsgrenze stieß, Verspätungen waren oft die Folge. Deshalb plante man eine zusätzliche zweite zweigleisige Güterverkehrsstrecke. Gleichzeitig wurde damit auch der große Rangierbahnhof in Löhne als Güterzugumschlagplatz geplant, günstig dafür gelegen im Streckenkreuz Hamm-Minden und Osnabrück-Hameln. Auf der gesamten Strecke wurden alle ebenen Bahnschranken auf der damals einzigartigen viergleisigen Strecke in Deutschland durch Straßentunnel ersetzt, um den Eisenbahnverkehr zu beschleunigen. Das geschah zwischen Minden und Hannover (immer noch zweigleisig) für den IC-Verkehr erst in den 80er Jahren, um die Geschwindigkeit erhöhen zu dürfen. So wurden vor über 100 Jahren in der Löhner Falscheide aus zwei Schranken ein Tunnel der heutigen Falscheider Straße der mittig zwischen den alten Übergängen nördlich zum Heidackerweg und vom Schling zum Langen Weg (heute dort Jansfeld) die Unterführung der Bahn ermöglicht.
Die neuen Güterzuggleise und ihre Nummerierung
Der damit neu entstandene Rangierbahnhof und Personenbahnhof verfügten im Gleisbild über 300 Weichen und entsprechend unzähligen Signalen, die die Weiterfahrt wie die Ampeln im Straßenverkehr bei der Bahn regeln. Eine neue Gleisnummerierung war damit auch verbunden. Die ersten Gleise mit Nr. 1 beginnend waren die Freiladegleise im Güterbahnhof direkt neben dem neuen heutigen Bahnhofsgebäude auf der heutigen Investorenwiese. Das heute noch bestehende Güterzughauptgleis nach Osnabück direkt an der nördlichen Seite des Bahnkörpers und direkt am Bahnhofsgebäude war also nicht wie oft in Bahnhöfen das erste Gleis 1. Dann folgten noch weitere Gleise zwischen Bahnhofempfangsgebäude und dem ersten Bahnsteig, auf denen die neu gebildeten Güterzüge aus der Gleisharfe des Rangierbahnhofs zu den Hauptgütergleisen fahren konnten. Die beiden Hauptgleise der neuen Güterbahn waren dann die Gleise 11 und 12, Gütergleis 12 lag schon am ersten kleinen Bahnsteig 1 an der Nordbahnsteigkante, das heute Gleis 8 ist und wie damals nur unplanmäßig auch für Reisezüge genutzt wurde, wenn es durch Verspätungen notwendig wurde, die Personenzüge sich während der Fahrt in sogenannter „fliegender Überholung“ während der Weiterfahrt überholen zu lassen.
Die neuen Bahnsteige 1 und 2
Das heutige Gleis 9 für den Personenverkehr in Löhne am ersten Bahnsteig 1, an dem der Regionalexpress nach Rheine jeweils 9 Minuten nach den geraden Stunden abfährt, war damals Gleis 13. Am ersten großen zweiten Bahnsteig 2 mit Treppen zu beiden Seiten nach Ost und West waren dann die Gleise 14 und 15 (heute 10 und 11). Auf Bahnsteig 2 gab es auch ein großes Kioskgebäude bis etwa 1955 betrieben, das erst jetzt durch den Umbau für den RRX abgerissen wurde. Wo Bahnsteig 2 entstand, stand vorher das erste Provisoriumbahnhofsgebäude 1855 und ab 1860 auch das schöne alte Bahnhofsgebäude in Insellage.
Der alte Bahnsteig 3
Die Gleise 16 und 17 lagen dann am mittleren kleinere dritten Bahnsteig 3, der wiederum nur eine Treppe nach Osten besaß wie der erste Bahnsteig und der letzte fünfte Bahnsteig.
Dieser Bahnsteig wurde aber beim Bombenangriff auf Löhne 1945 sehr zerstört, so dass die Gleise 16 und 17 nicht wieder neu aufgebaut wurden, der Betrieb konnte ab 1945 auch mit nur vier Bahnsteigen fortgeführt werden. An den Treppenaufgang kann ich mich aber noch gut erinnern ähnlich wie der zum letzten Bahnsteig 5, den Dennis Gärtner nun zufällig beim Umbau fotografiert hast, er war damals nur mit einer dicken Kordel unten im Tunnel abgesperrt. Vom Dach war nur noch ein kurzer Rest übrig geblieben, da traute sich auch niemand hoch und es gab ja auch die beiden Aufsichts-beamten mit ihren roten Mützen auf den großen Bahnsteigen 2 und 4 mit ihren kleinen Diensträumen direkt über dem Tunnel auf den Bahnsteigen zwischen den beiden Treppen. Der Bahnhof war auch nachts mit diesen Aufsichtsbeamten im Schichtdienst besetzt, an Vandalismus hatte damals niemand gedacht, sondern damit nur an die Sicherheit der Menschen.
Die Bahnsteige 4 und 5
An Bahnsteig 4 hatten die beiden Hauptgleise nach Hannover und Hameln die Nummer 18 und 19 (heute 12 und 13). Bahnsteig 5 mit Gleis 20 und 21 (später 14 und 15) ist heute noch vorhanden, diente dann den eingesetzen Personenzügen in Richtung Hameln und Osnabrück über die südlichen Gleisen.
In den 80er Jahren gab es dann nur noch ankommende Züge und dann danach ungeplante Halte aus dem Betrieb heraus. Schön fand ich, dass dieser Bahnsteig immer noch seine ursprüngliche Plasterung vom Bau im 1. Weltkrieg besaß, quadratische Plastersteine etwa 20×20 cm waren in Diagonallinien verlegt worden. Die anderen Bahnsteige waren irgendwann mit einer Teerschicht versehen worden. Mit diesem Bahnsteig nutzte die Bahn aber auch schon in den 60ern nur das nördliche Gleis 20, das im Tunnel auch nur ausgeschildert war und auf dem Bahnsteig eine normale mechanische Zuganzeige mit Emailleschilder besaß, Gleis 21 wurde nur bei Bedarf mit einem Schild für die Zuginformation mit Zielbahnhof versehen.
Ende der 90er fuhr hier noch ein planmäßiger Dampfnostalgiezug im Sommerfahrplan mit der Baureihe 41 nach Hameln sonntags ab, leider aber nur zwei Jahre lang.
Dann riss man das Dach von Bahnsteig 5 komplett ab und die Treppe wurde von oben und im Tunnel einfach nur mit Holz verbarrikadiert.
Neue Gleisnummerierung 1968 und Hintergründe zum Bahnsteigbetrieb
Die neue Gleisnummerierung mit den heutigen Gleisnummern an den Bahnsteigen kam dann beim Umbau zum elektrischen Betrieb 1968, der mittlere Bahnsteig 3 wurde komplett abgerissen, seine ehemaligen Gleise wurden auch so auch nicht neu nummeriert. So entstand die Lücke zwischen den Hauptbahnsteigen, die dann viele Birkenbäume später nutzten, als die Bahn keine Unkrautvernichtungsmittel mehr in großem Maß verwendete.
Warum baute man aber vor über 100 Jahren gleich fünf Bahnsteige in Löhne, wo doch heute viel mehr Züge im Fahrplan verkehren und hauptsächlich doch nur die beiden großen Bahnsteige 2 und 4 benötigen?
Nun damals starteten und endeten in Löhne noch viele Reisezüge und das auch in die Richtungen Hannover und Hamm, weswegen man den Bahnsteig 3 noch brauchte. Die Bereitstellung der Züge an den Bahnsteigen war mit viel mehr technischem Aufwand verbunden, die Bremsfähigkeit des gesamten Zuges musste am Bahnsteig auf den Prüfstand gebracht werden. Handzeichen des Zugführers am Bahnsteig, auf großen Bahnhöfen später sogar Lichtzeichen an Ampeln, zeigten dem Lokführer, wann er zum Test die Bremsen anziehen und lösen musste.
Um den Zug auch ohne die Druckluft erzeugende Lokomotive testen zu können, baute man in Löhne vor über 100 Jahren etwas besonders Geniales. Im neuen Ringlokschuppen in Löhne-Ort gab es eine Druckluftmaschine, die über Leitungen auch die neu entstehenden Güterzüge mit Druckluft und Bremsentest versorgen und testen lassen konnte. Diese Druckluftleitungen hatten ihr Ende an den 5 Bahnsteigen des neuen Personenbahnhofes vor 100 Jahren und lagen dort noch ungesehen lange Zeit später ungenutzt.
Heute aber haben wir in Löhne hauptsächlich durchgehende Züge, selbst Züge aus Hameln fahren werktags weiter bis Bünde, enden und starten aber teilweise sonst auch noch in Löhne. Dafür braucht man heute noch Gleis 14, um die Züge abzustellen und das Hauptgleis 13 nicht zu belegen, wo doch auch Intercityzüge aus Osnabrück durchfahren ohne Halt in Löhne.
Warum waren damals die Bahnsteige so lang und werden in der Länge heute für den RRX zurückgebaut ?
Vor 100 Jahren war der Zugverkehr sehr aufwändig, es gab noch keinen Taktverkehr wie heute, sondern man ließ weniger Züge im Zeitabstand fahren, aber die Züge waren entsprechend lang, um dann viele Menschen zu transportieren. Ein D-Zug konnte so schon aus 12 bis 14 Waggons bestehen, nur von einer Lokomotive gezogen. Die Länge über Puffer eines Waggons der D-Zug Wagen erreichte schon die 20 m Marke, 26 m wurden ab 1950 zum Standard. Also musste man dafür Bahnsteige der Länge von etwa 300 Metern bauen, wie sie unsere Bahnsteige 2 und 4 haben. Die anderen Bahnsteige sind kürzer, da sie nur für den Halt der kürzeren Personenzüge diente.
Vielleicht kommt der kürzere alte Bahnsteig 5 in Zukunft doch noch ins Spiel, wie die Bahn im NW Artikel vom 9.2.2021 mutmaßen lässt?