Passend zum Kurzartikel vom 21.01.2021 aus der „Neuen Westfälischen“ – Zeitung (über den wir hier berichteten), formulierte Martin Lorenz einige Ausführungen, die uns allen weitere sehr spannende Hintergrundinformationen zur Geschichte des Löhner Bahnhof und der Köln-Mindener-Eisenbahnstrecke liefern.
Diese Ausführungen möchten wir gerne in seinen eigenen Worten hier veröffentlichen.
Martin Lorenz ist selbst Löhner Bürger, sowie das Kind einer Eisenbahner-Familie, woher unter Anderem auch das Wissen und Interesse bei seinen Recherchen stammen. Außerdem engagiert er sich u.a. für die KULTURBANAUSEN unseres Vereins.
In 2003 habe ich im Rahmen der damals jungen VHS in Löhne den Autor Garrelt Riepelmeier, Autor des Buches „Der Bahnhof Löhne“, (wir erkannten uns aus der Big Band der Musikschule wieder, er am Schlagzeug und ich an der 2. Posaune um 1990 ) in seinen Recherchen unterstützt. Im Lokschuppenareal zeigte ich ihm Schienen, die 1916 bei Krupp gewalzt wurden und danach verlegt und noch immer dort lagen. Die Einweihung des Empfanggebäudes hat er damals dann wohl auch auf 1916 datiert, denke ich. Werner Menninghaus hat 1983 in seinem Buch über die Cöln-Mindener Eisenbahn auch über die Entstehung des Bahnhofs Löhne berichtet, sein Buch erschien beim Lübbecker Verlag Uhle&Kleimann, das mir mein Vater damals schenkte. Dort ist eine Skizze des ersten Bahnhofgebäudes für Personen enthalten.
So kommt es nun zu meiner folgenden Ausführung zu Eurem Kurzartikel vom 21.1.2021.
Es ist richtig, dass nach ersten Inbetriebnahmen von Köln bis Duisburg 1845 dann im Mai 1846 der Verkehr von Köln bis Hamm aufgenommen werden konnte und dann auch der Bau der Cöln-Mindener Bahn bis Minden weitergeführt werden konnte. Das jährt sich nun in diesem Jahr auch mit dem Baubeginn in Löhne nach 175 Jahren. Auch im Dorf Löhne (heute Stadtteil Löhne-Ort) sollte ein Bahnhof entstehen nach dem Plan der privaten Eisenbahngesellschaft. Doch wie das heutzutage auch ist mit den Grundstücksverhandlungen, kein Löhner Bauer im Dorf oder auf der Falscheide war bereit, entsprechend Land zu verkaufen, man hielt die neuartige Eisenbahn für ein Ungetüm und manche Zwangsenteignungen für die Strecke in Löhne waren ihnen schon genug. Der erste Bauer der Bischofshagener Bauernschaft östlich der Löhner Grenze (nahe dem heutigen Kreisel beim großen Stauwerk der Werre), verkaufte sein Land gegen gutes Geld, sein Name war Poppensieker, Bauer im Tal des Poppensieks.

Am 15. Oktober 1847 wurde dann der Betrieb von Hamm bis Minden aufgenommen, die ersten Züge fuhren auch durch Löhne. Der neue Begriff „Bahnhof“ war angelegt an den Begriff „Bauernhof“, der ein umgrenztes Grundstück beschreibt, auf dem Wirtschaftsgebäude für Betrieb und Wohnstatt stehen. Beim Bahnhof als Grundstück waren es Gleise und Anlagen wie auch Gebäude zum Betrieb.
Für die ersten Bahngesellschaften, oft Aktiengesellschaften, stand auch damals der Profit im Vordergrund. So war in den Anfängen der Warenbetrieb zunächst wichtiger als der Personenbetrieb, der den Postkutschenverkehr mit vielfacher Geschwindigkeit ersetzen konnte. Reisen konnten aber damals nur wenige Menschen, die es sich leisten konnten, meist aus Gründen, die sich aus ihrer Position in der Gesellschaft ergaben.
Davon gab es in Löhne und Umgebung aber kaum jemanden.
Deshalb entstand in Löhne 1847 zunächst nur ein Bahnhof auf der grünen Wiese, der geplant nur dem Warenumschlag diente. Alte Städte mit damals bereits hohen Einwohnerzahlen in Bielefeld und Herford, das entstehende Kurbad in Niederbecksen bei Rehme (heute Oeynhausen) und ein zu erwartender Ausflugsverkehr in der Porta Westfalica ließen Personenzughalte mit entsprechenden Empfangsgebäuden planen, die dann auch 1847 fertiggestellt waren, so aber noch nicht in Löhne, dessen Bahnhof bereits auf Gohfelder Gebiet in der Nähe des kleinen Dorfes Mahnen lag.

Man begann damals bei den ersten Bahngesellschaften in Deutschland beim Personenverkehr meist mit drei oder sogar vier Klassen. Die vierte Klasse waren offene Waggons, in denen man auch Vieh beförderte, und somit auch für die Arbeiterklasse erschwinglich nutzbar war. Die dritte „Holzbankklasse hielt sich noch bei der Bundesbahn bis etwa 1955, heute kennen wir auch im Flugverkehr „Economiv“ und „Business“, die in ihren Flughäfen entsprechende Wartesäle „Loungen“ zur Verfügung stellten. Deshalb hatte auch das jetzige Löhner Bahnhofsgebäude drei verschiedene Wartesäle nach dem Preis der Fahrkarten in drei Klassen, niemand durfte in höherer Klasse warten.
1847 führte die Hannoversche Staatsbahn gleichzeitig ihren Betrieb von Hannover bis Minden ein. Dem Staat Hannover (heute größter Teil von Niedersachsen) fehlte aber die Anbindung an das Emsland und Osnabrück, wo auch schon Strecken entstanden. So entstand die Idee, keine neue Strecke von Minden nach Osnabrück mit einen zusätzlichen Durchbruch des Wiehengebirges zu bauen, sondern vertraglich mit der privaten Cöln-Mindener Eisenbahn eine gemeinsame Nutzung des Gleiskörpers von Minden nach Löhne zu nutzen, um erst von hier aus mit einer neuen Streckenführung bis Osnabrück zu starten. Am 21. November 1855 wurde diese Strecke, die damit auch als Lückenschluss international zu den Niederlanden wurde, eingeweiht.
Löhne mit seinem Bahnhof einige 100 m außerhalb seiner Dorfgrenze wurde nun zum Personenhalt und auch zum Umstiegsbahnhof. Doch hatten entgegen der Planung vor 1847 hier 1855 beide Bahnverwaltungen noch kein stattliches Empfangsbebäude im Vertrag erschaffen können. Ein Provisorium, ein langes einstöckiges Fachwerkgebäude diente beiden Geseelschaften in getrennten Räumlichkeiten für den Betrieb und kleine Warteräumem. Mit dem Fahrplan 1855 gab es nur sechs Züge am Tag in Richtung Köln oder Minden, davon fuhren zwei schon ohne Halt von Minden bis Bielefeld ( in immerhin 6 Stunden erreichte man damit Köln von Minden aus in weiterhin wenigen Halten) und zwei weitere Züge hielten unterwegs dann mit nur einem Halt nur in Löhne, um den Umstieg zu ermöglichen. Es gab keine Möglichkeit für umsteigende Reisende, die Umstiegszeit damals von Stunden und nicht Minuten, in Bahnhofsgastronomie oder direkt außerhalb des Bahnhofgeländes zu erleichtern.
Deswegen wurde dann das Bahnhofsgebäude von 1860 von beiden Bahnen symmetrisch erbaut, beide Bahngesellschaften nutzen es dann weiterhin in strikter räumlicher Trennung und es entstanden auf der grünen Wiese an der Chaussee auch die ersten Gebäude wie das erste Bahnhofshotel (heute ist dort der Lidl mit Eingang). So entstand unser Bahnhofsviertel wie in vielen anderen Städten im 19. Jahrhundert, die Eisenbahn konnte immer nur an den Rand der Altstädte wie auch in Herford oder Bielefeld auf die grüne Wiese gebaut werden, die alsbald zugebaut wurde und die Städte erweiterte.

Mit der Einweihung der Strecke Löhne – Hameln, damals auch noch Privatbahn für wenige Jahre in Preußen, erhielt Löhne noch mehr Bedeutung für den Umstieg und der Reiseverkehr nahm im späten 19. Jahrhundert gehörig zu.

Hier war die Insellage des Löhner Bahnhofgebäudes zwischen den Nordgleisen der Hannoverschen Bahn und den Südgleisen der Köln-Mindener ein Problem, denn die Reisenden mussten von beamteten Aufsichtspersonal sicher über die Gleise über Holzbohlenwege geführt werden, wie man es noch später auf vielen Nebenbahnen auch im 20. Jahrhundert kannte.
Das führte dann zum Bau des ersten Fußgängertunnels bereits im 19. Jahrhundert, der einen sicheren Zugang zum Empfangsgebäude für Reisende aus Löhne und Umsteigern von den damals zwei Bahnsteigen ermöglichte.
Daraus entstand dann die berühmte Geschichte im Roman des Osnabrücker Schriftstellers Erich Maria Remarque mit dem Befehl „Löhne umsteigen“. Dieser alte Tunnel wurde erst beim Abriss des Güterbahnhofes wieder entdeckt, als man damit die Bünderstraße nach Süden verschob und die sogenannte Investorenwiese entstand.
Beim Ausbau zur vierspurigen Strecke und unserem großen Rangierbahnhof ab 1912 wurde dann ein ganz neues Empfangsgebäude nördlich der Bahn mit langem Tunnel zu insgesamt fünf Bahnsteigen gebaut, von denen heute nur noch drei im Betrieb und Umbau sind für den RRX. Die ersten Bahnhofsgebäude von 1855 und 1860 standen dort, wo wir jetzt am ersten großen Bahnsteig an Gleis 10 und 11 einsteigen. Das jetzige Bahnhofsempfangsgebäude ist also eigentlich schon das dritte Gebäude auf dem Löhner Bahnhofsgelände.

Dass wir heute auch mit dem Niedersachsen-Länderbahnticket von Löhne aus nach ganz Niedersachen inklusive Hamburg fahren dürfen, haben wir der damaligen Hannoverschen Regierung zu verdanken, die ihre Staatsbahn um 1850 ab Löhne plante und zur Ausführung brachte. Und von neuen Streckenplanungen zwischen Bielefeld und Hannover ist jetzt in der Weichenstellung die Rede. Vor 170 Jahren entschied man sich im Königreich Hannover für die Nutzung einer vorhandenen Bestandsstrecke zwischen Minden und Löhne. Gespannt sind wir nun, welche Entscheidung in Berlin getroffen wird.
Vielleicht bleibt OWL standfest wie die Löhner Bauern ab 1843 in den Verhandlungen?